Spannungstechnik
Eine Methode, ungemein fesselnde Bücher zu schreiben, besteht darin, ein Geheimnis einzuführen. Das Mysteriöse, das Nicht-Wissen, zieht magisch Aufmerksamkeit an. Der Kriminalroman, also eine ganze Gattung, lebt weitgehend von dieser Technik. Wenn Sie zu Beginn eines Buches ein Geheimnis andeuten, muss der Leser bis zum Ende durchhalten – andernfalls erfährt er nie „die Wahrheit“. Wenn man ein Geheimnis einführt, muss seine Lösung allerdings die Erwartung übertreffen, sonst ist der Leser enttäuscht.
Aber zurück zum Geheimnis: Wenn ich nicht weiß, wo die Dublonen versteckt sind, was in dem hintergründigen, blassblauen Brief steht, wer der Meuchelmörder ist, wann das Dynamit explodiert, was in dem kleinen schwarzen Kästchen verborgen ist und ob der Doppelspion nicht auch für die Russen Kundschafterdienste leistet, muss ich weiterlesen, mir bleibt keine andere Wahl. Es ist eine phantastische Technik und möglicherweise die Krönung aller Spannungstechniken.
Oft besteht ein gesamter Roman aus nichts anderem als der scheibchenweisen Enthüllung des Geheimnisses. Der Leser bleibt Ihnen notwendigerweise treu, ansonsten würde er „ewig“ an diesem Rätsel kleben bleiben. In dieser Technik ist im übrigen der Grund zu finden, warum man sich manche sterbenslangweiligen Filme zu Ende anschaut. Man möchte zumindest das Geheimnis, das eingeführt wurde, herausfinden – verflixt! Mit der Technik des Geheimnisses kann man auf verschiedene Weise vorgehen:
• Nehmen wir an, am Anfang der Story wird ein Mysterium eingeführt. Aber: irgendwann muss man den Schleier lüften. Die hohe Schule besteht nun darin, ein neues Geheimnis einzuführen, kurz bevor das erste gelöst wird, so dass der Leser weiter am Text kleben bleibt. Mit anderen Worten: Immer vor der Auflösung eines alten Geheimnisses baut man wenigstens ein neues ein. Auf diese Weise ist der Leser ständig hineingesogen in den Fortgang der Handlung, in die Zukunft, so dass er weiterlesen muss.
• Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Leser zunächst mit einem Geheimnis zu konfrontieren. Wenig später führt man ein zweites Geheimnis ein, so dass er doppelt „gebunden“ ist. Das heißt, Geheimnis Nr. 1 wird nicht aufgelöst.
• Schließlich kann auch die kontinuierliche Erwähnung eines einzigen Geheimnisses in regelmäßigen Abständen zur „Aufladung“ der Batterie, die da heißt Spannung, führen. Ein Geheimnis kann auf vielerlei Art als Lockvogel eingeführt werden:
• Wenn der Held nicht weiß, wo er ist oder wohin er geführt wird, so handelt es sich um ein Geheimnis des Ortes. Wenn er nicht weiß, wer Freund oder Feind ist, so handelt es sich um ein Geheimnis der Person. Speziell wenn man überhaupt nicht weiß, wer der Feind ist und aus welcher Ecke er wann zuschlagen wird, so steigert das die Spannung bis ins Unerträgliche. Ein Beispiel hierfür ist der Film „im Zeichen des Drachen“ mit Clint Eastwood: Hier wird der Zuschauer absichtlich im Unklaren gelassen, wer der Gegner ist. Jede Begegnung wird auf diese Art gefährlich. Es gibt Geheimnisse bezüglich Zeit (in welches Jahrhundert hat mich die Zeitmaschine versetzt?), bezüglich des Grundes (warum hat er dies getan/gesagt usw.?), bezüglich des Objektes (was hat es mit diesem geheimnisvollen Brief, Kästchen usw. auf sich?) und noch bestimmt 20 andere „Geheimnistypen“ mehr. Beliebt ist auch der Typ: Um welche (nicht identifizierbare) Gefahr handelt es sich?
Man kann mit der Anwendung dieser Technik den Leser in atemlose Spannung versetzen. Das Geheimnisvolle ist eine magnetische Qualität von immenser Anziehungskraft.
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