Die Geschichte vom Goldschmied Fabian
Aus Depesche 10+11/2013 • Originaltext von Larry Hannigan, Australien, 1971 • Originaltitel: „I Want the Earth Plus 5 %“ • Übersetzung: Eckehard Junge und M. Kent
Unser Geldsystem besitzt etliche eingebaute „Begleiterscheinungen“ und Fallstricke, die den aller wenigsten bekannt sind. So führt es beispielsweise dazu, dass Geld immer knapper und knapper wird – ganz automatisch. Doch damit nicht genug: Im Kielwasser unseres Geldsystems schwimmen weitere „Nebenwirkungen“, unter denen die Gesellschaft heute leidet, die aber kaum jemand mit einem Fehler in unserem Geldsystem in Verbindung bringt. Der Australier Larry Hannigan konnte im Jahre 1971 sämtliche Entwicklungen bis heute vorhersagen, weil er den grundlegenden Fehler des Systems kannte. Einen mathematischen Fehler, den er in seiner Geschichte über einen fiktiven Goldschmied namens Fabian mit dem Titel „Gib mir die Welt plus fünf Prozent“ auf anschauliche Weise darstellte. Anhand dieser Geschichte können nun sogar Erstklässler jenen grundlegenden Fehler in unserem Geldsystem beschreiben, der unseren Politikern offensichtlich bisher verborgen geblieben ist.
Fabian war innerlich erregt, als er seine Rede übte, die er am kommenden Tag vor einer großen Menschenmenge halten würde. Schon immer hatte er nach Macht und Prestige gestrebt. Nun würde sein Traum bald wahr werden.
Fabian war ein Handwerker, der mit Gold und Silber arbeitete, Schmuck und Verzierungen herstellte, doch es gefiel ihm nicht mehr, dass er sich seinen Lebensunterhalt mit Arbeit zu verdienen hatte. Er suchte den Reiz des Außergewöhnlichen, die Herausforderung – und nun stand sein großer Plan vor der Verwirklichung.
Seit Generationen war der direkte Warentausch die gängige Art des Handels. Wer eine Familie zu ernähren hatte, bewältigte diese Aufgabe entweder ganz durch eigenen Anbau und eigene Viehzucht, oder er spezialisierte sich auf ein bestimmtes Gewerbe. Der Überschuss aus eigener Produktion wurde gegen den Überschuss anderer eingetauscht.
Der Marktplatz war der muntere Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Trotz Staub und Lärm war das bunte Treiben allgemein beliebt, denn es gab immer viel Neues und Interessantes zu hören. In letzter Zeit schienen sich jedoch Reibereien und Streitigkeiten zu häufen. Wozu noch viele Worte darüber verlieren? Es war an der Zeit, ein besseres System auf die Beine zu stellen.
Für gewöhnlich waren die Menschen bislang guter Dinge gewesen und hatten sich an den Früchten ihrer Arbeit erfreut. Die Regierungsform war ausgesprochen simpel: In jeder Gemeinde wurde ein Bürgerrat gewählt, dessen Aufgabe es war, Freiheiten und Rechte des Einzelnen zu sichern und zu gewährleisten.
Niemand durfte gegen seinen Willen zu irgendetwas gezwungen werden, weder auf Betreiben eines Einzelnen noch einer Gruppe.
Das war der einzige Zweck der Regierung, und jeder gewählte Bürgermeister wurde von seiner Gemeinde bereitwillig unterstützt.
Der Markttag warf jedoch einige Probleme auf, denen nicht ohne weiteres beizukommen war: Welchen Wert hatte ein Messer? Sollte es mit einem oder mit zwei Körben Mais bezahlt werden? War eine Kuh mehr wert als ein Leiterwagen? Wo war der Maßstab? Niemandem fiel ein besseres System ein.
Fabian hatte den Menschen verkündet: „Ich habe die Lösung für unsere Probleme mit dem Tauschhandel!“ Alle Mitbürger waren zu einer großen Versammlung geladen.
Münzgeld
Auf dem Stadtplatz kam eine gewaltige Menschenmenge zusammen und Fabian erläuterte sein neues System, das er „Geld“ nannte. Da die Sache recht viel versprechend klang, fragten die Menschen ihn neugierig, wie die Umstellung denn in Angriff genommen werden solle.
„Das Gold, aus dem ich normalerweise Schmuck herstelle, ist ein sehr edles Metall“, sagte er. „Es rostet nicht, verfärbt sich nicht und ist unbegrenzt haltbar. Also werde ich aus Gold eine Anzahl Münzen herstellen und jede Münze einen Taler nennen.“
Er erklärte dem Publikum, wie sich der Wert des Talers bald einpendeln würde und dass die Verwendung von „Geld“ als Tauschmittel erheblich praktischer wäre als der direkte Tausch von Waren.
Ein Mitglied des Bürgerrates merkte an, dass einige Leute doch ohne weiteres selbst Gold schürfen und Münzen daraus herstellen könnten.
Fabian hatte die Antwort schon parat: „Das wäre unrecht! Als Zahlungsmittel gelten natürlich nur Münzen, die von der Regierung genehmigt sind. Zur Sicherheit wird ein Siegel aufgeprägt.“
Das fanden die Zuhörer ganz plausibel, und es wurde vorgeschlagen, dass jeder zunächst einmal dieselbe Anzahl Münzen erhalten solle. Da warf jedoch der Kerzenmacher ein: „Das Anrecht auf die meisten Taler habe ich, denn meine Kerzen benutzt jeder.“
Alle Bürger waren auf dem Stadtplatz zusammen gekommen, wo ihnen Fabian, der Goldschmied, seine neue Idee zur Bewältigung des Tauschens und Handelns vorstellte: ein System, das er „Geld“ nannte.
„Auf keinen Fall“, rief einer der Bauern, „denn ohne Lebensmittel würden alle verhungern! Die meisten Taler sollten bestimmt an die Bauern gehen!“ So entstand zunächst eine allgemeine Zankerei.
Fabian ließ die Leute eine Zeit lang miteinander streiten und eröffnete ihnen schließlich eine verblüffende Lösung: „Da ihr euch nicht einigen könnt, schlage ich vor, dass ihr all die Taler, die ihr braucht, zunächst einmal von mir bezieht.
Es gibt dafür theoretisch keine Obergrenze, aber ihr müsst natürlich in der Lage sein, mir den Betrag zurückzuzahlen. Je mehr Taler ihr von mir bekommt, umso mehr müsst ihr nach Ablauf eines Jahres zurückzahlen.“ – „Na schön“, sagten die Mitbürger, „und was springt für dich dabei heraus?“
„Weil ich euch eine Dienstleistung bereitstelle“, erklärte Fabian, „nämlich die Geldversorgung, habe ich Anspruch auf eine Vergütung. Sagen wir, für jeweils 100 Taler, die ich euch zur Verfügung stelle, erhalte ich für jedes fortlaufende Jahr der Verschuldung 100 plus 5 Taler zurück. Diese 5 Taler extra sind meine Leihgebühr, und diese Leihgebühr wollen wir ‚Zinsen' nennen.“
Fünf Prozent erschienen den Bürgern nicht zu viel für Fabians Dienst der Geldherstellung. Keiner jedoch stellte in diesem Zusammenhang die wichtigste aller Fragen: Wenn Fabian doch insgesamt nur (beispielsweise) 100 Taler herstellte und verlieh, wie sollten dann 105 zurückbezahlt werden können?
Einen anderen Weg schien es nicht zu geben, und 5 Prozent schienen doch eine bescheidene Forderung zu sein. „Kommt nächsten Freitag wieder, dann fangen wir an.“
Fabian verlor keine Zeit und verbrachte die nächsten Tage und Nächte mit der Herstellung von Münzen. Eine Woche später standen die Leute vor seinem Geschäft Schlange. Nachdem der Bürgerrat die Münzen inspiziert und genehmigt hatte, liehen sich die ersten Bürger ihre ersten Taler. Manche wollten zunächst nur wenige Taler, um das ungewohnte System erst einmal auszuprobieren.
Sehr bald erfreute sich das neue Tauschmittel großer Beliebtheit, sodass der Wert aller Dinge nach Goldmünzen oder „Talern“ eingeschätzt wurde.
Diese Wertzuweisung war der „Preis“ eines Erzeugnisses, und der Preis beruhte hauptsächlich auf dem Arbeitsaufwand, der mit der Herstellung verbunden war. Wenn sehr viel Arbeit erforderlich war, dann wurde ein hoher Preis verlangt; Dinge jedoch, die sich fast mühelos herstellen ließen, waren billig.
Wettbewerb
In einer der Städte des Landes lebte ein Mann namens Alban. Er war der einzige Uhrmacher dort. Seine Kundschaft war deshalb bereit, für seine Uhren einen relativ hohen Preis zu bezahlen.
Dann aber kam plötzlich ein anderer Mann daher, der ebenfalls Uhren herstellte – und sie billiger anbot, um seinen Absatz zu steigern. Alban war somit gezwungen, die Preise zu senken, um nicht all seine Kunden an die billigere Konkurrenz zu verlieren.
Bald hatte sich die Preisentwicklung auf einem kundenfreundlichen Niveau ausgeglichen, weil beide Uhrmacher bestrebt waren, zum günstigsten Preis die bestmögliche Qualität zu liefern. Es war ein echter und ehrlicher freier Wettbewerb. Das gleiche Prinzip erfasste bald sämtliche Branchen: das Baugewerbe, den Transportsektor, die Landwirtschaft, ja sogar die Buchhalter und jeden anderen Beruf.
Die Kunden hatten freie Auswahl und entschieden sich nach eigenem Ermessen für das beste Angebot. Es gab keine künstlichen Schutzmaßnahmen wie etwa Konzessionen oder Zölle, um anderen Leuten den Einstieg ins Geschäft zu verwehren.
Der Lebensstandard stieg und schließlich wunderte sich ein jeder, wie ein Leben vor der Einführung des „Geldes“ überhaupt möglich gewesen war.
Verschuldung
Zum Jahresende suchte Fabian all die Leute auf, die ihm Geld schuldeten. Manche besaßen inzwischen mehr, als sie geborgt hatten, was aber gleichzeitig bedeutete, dass andere nun weniger hatten, da ja nur eine bestimmte Anzahl Münzen in Umlauf gebracht worden war. Wer einen Überschuss erzielt hatte, zahlte also die hundert Taler plus fünf Taler Zinsen zurück, musste sich oft jedoch erneut Geld leihen, um im Geschäft zu bleiben.
All den anderen wurde erstmals klar, dass sie verschuldet waren. Bevor ihnen Fabian erneut Geld lieh, belastete er das Eigentum dieser Menschen mit einer Hypothek, um seine Forderungen abzusichern.
Nun waren die Schuldner nicht nur verschuldet, sondern auch ihre Häuser verpfändet, sodass sie sich rasch aufmachten, nach den „fehlenden 5 Talern“ zu suchen, die so unglaublich schwer aufzutreiben waren.
Das ist der Fehler im System: Wenn insgesamt nur (beispielsweise) 500 Münzen hergestellt worden sind, können nach einem Jahr unmöglich 525 Münzen zurückgezahlt werden – denn es gibt ja nur 500 und nicht 525.
Eine Rechnung, die nie aufgehen kann
Niemand wurde an dieser Stelle jedoch gewahr, dass die Gesellschaft als Ganzes aus dieser Schuldenfalle nie wieder herauskommen konnte, denn selbst wenn alle ursprünglich hergestellten und in Umlauf gebrachten Taler zurückgezahlt worden wären, dann hätten auf jeweils 100 Taler immer noch jene fünf Taler „Zinsen“ pro Jahr gefehlt.
Niemand außer Fabian begriff, dass die Zinsen niemals gezahlt werden konnten – denn diese zusätzlich geforderte Anzahl an Münzen war ja überhaupt nie erzeugt worden.
Es war daher unvermeidlich, dass sich einige Leute bald als zahlungsunfähig erwiesen.
Bank-Noten
Am hinteren Ende seiner Werkstatt hatte Fabian einen Tresorraum. Dort hinterlegten die Kunden gerne einige ihrer Münzen zur sicheren Aufbewahrung. Fabian erhob dafür je nach Geldmenge und Aufbewahrungsdauer eine geringe Gebühr – und der Eigentümer erhielt natürlich jeweils eine Quittung für seine Einlagen.
Bei größeren Einkäufen war es naturgemäß etwas mühsam, viele Goldmünzen mit sich herumzuschleppen. So bürgerte sich allmählich der Brauch ein, anstelle von Münzen mit einer oder mehreren von Fabians Quittungen zu bezahlen, die dem Wert der gekauften Ware entsprachen.
Die Ladenbesitzer akzeptierten die Quittungen als vertrauenswürdiges Zahlungsmittel, denn sie konnten sie jederzeit zu Fabian bringen und dafür wieder Goldmünzen erhalten.
Die Quittungen wanderten bald von Hand zu Hand, ohne dass das Gold selbst bewegt werden musste. Man verließ sich auf Fabians Quittungen ebenso sehr wie auf die Goldmünzen selbst.
Bald stellte Fabian fest, dass kaum noch irgend jemand kam, um wirklich die Goldmünzen zurückzufordern, denn alle bezahlten nur mit seinen Quittungen. So dachte er sich: „Da habe ich nun so viel Gold in meinem Besitz und verdiene mein Brot noch immer im Schweiße meines Angesichts als Handwerker. Das ist doch Blödsinn. Schließlich würden Dutzende Leute mir Zinsen zahlen, wenn sie das Gold benutzen dürften, das hier bloß herumliegt und selten eingefordert wird.“
Er sagte sich: „Ganz recht, das Gold gehört mir nicht, aber es befindet sich in meinem Besitz, und nur darauf kommt es an. Wozu soll ich noch Münzen herstellen, wenn ich doch einen Teil der Münzen aus meinem Tresor verwenden kann?“ Er begann also, die bereits vorhandenen, bei ihm deponierten Münzen zu verleihen, anfangs nur wenig und sehr vorsichtig, nach und nach jedoch mehr und immer kühner.
Geldschöpfung aus dem Nichts
Eines Tages erhielt Fabian eine große Kreditanfrage. Er schlug dem Kunden vor: „Warum eröffnen wir nicht ein Konto (Depot) in Ihrem Namen, anstatt die vielen Münzen zu Ihnen zu transportieren? Ich stelle Ihnen einfach eine entsprechende Menge Quittungen aus!“
Der Kreditnehmer war einverstanden und marschierte – anstatt mit einem Sack voller Goldmünzen – mit einem Haufen Papier (Quittungen) davon. Er hatte ein stattliches Darlehen erhalten, und dennoch war das Gold physisch in Fabians Tresor geblieben!
Als der Kunde gegangen war, hatte Fabian ein breites Grinsen auf den Lippen, denn es war ihm gelungen, „einen Kuchen zu essen und ihn trotzdem zu behalten“.
Fabian konnte also Gold verleihen und es dennoch in seinem Besitz verbleiben lassen.
Freunde, Bekannte und Fremde, ja sogar Feinde brauchten Geld für ihre Geschäfte – und solange sie Sicherheiten vorweisen konnten, war dem Geldverleih keine Grenze gesetzt.
Fabian war in der Lage, ein Mehrfaches des in seinem Tresor gelagerten Geldes (dessen Eigentümer er noch nicht einmal war) zu verleihen, indem er schlicht und einfach Quittungen ausstellte. Und alles war in Butter, solange die wahren Eigentümer ihr Gold nicht zurückverlangten und das Vertrauen der Bevölkerung aufrechterhalten wurde.
In einem großen Buch führte er genaue Aufzeichnungen über Soll und Haben jedes einzelnen Kunden. Der Geldverleih erwies sich als ein äußerst einträgliches Geschäft.
Geheimbund
Mit Fabians gesellschaftlichem Status ging es fast genauso schnell bergauf wie mit seinem Reichtum. Er war nun ein bedeutender Mann, zu dem man aufsah. In Finanzfragen galt sein bloßes Wort schon fast als Offenbarung.
Goldschmiede aus anderen Städten begannen sich für seine Geschäftspraktiken zu interessieren, und eines Tages suchten sie ihn gemeinsam auf. Er weihte sie in seine Methoden ein, betonte aber nachdrücklich, dass Geheimhaltung eine unerlässliche Voraussetzung sei.
Wäre das Komplott aufgedeckt worden, hätte das ganze System einstürzen können wie ein Kartenhaus. Man beschloss daher die Gründung eines Geheimbundes.
Jeder Goldschmied kehrte daraufhin in seine Stadt zurück und begann nach Fabians Weisungen seinen eigenen Geldverleih zu organisieren.
Schecks und Überweisungen
Mittlerweile akzeptierte man Fabians Quittungen genauso wie seine Goldtaler, und häufig deponierte man sie genau wie die Münzen in einem Tresor. Wenn ein Händler einem anderen eine bestimmte Zahlung für eine Warenlieferung senden wollte, schrieb er einfach eine kurze Weisung an Fabian, Geld von seinem Konto auf das Konto des anderen Händlers zu übertragen. Fabian konnte die entsprechende Änderung der Konten in wenigen Minuten bewerkstelligen.
Auch dieses neue System wurde sehr populär. Die schriftlichen Weisungen für eine solche bargeldlose Zahlung bezeichnete man als „Schecks“.
Staatliche Banknoten als Zahlungsmittel
Bei einem weiteren Geheimtreffen weihte Fabian alle seine Goldschmiede in seinen neuesten Plan ein. Schon am darauffolgenden Tag beriefen sie eine Versammlung aller Gouverneure ein, die den einzelnen Landesteilen vorstanden.
Fabian trat als Wortführer auf: „Die Quittungen, die wir ausstellen, erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit. Auch Sie, meine Herren Gouverneure, benutzen sie doch und finden sie ausgesprochen praktisch, nicht wahr?“ Die Gouverneure nickten beifällig und waren neugierig, wo denn nun das Problem liegen mochte. „Tja“, fuhr Fabian fort, „gelegentlich werden diese Quittungen von Fälschern kopiert. Wir müssen dem ein Ende setzen.“ Bestürzt fragten die Gouverneure, was sie dagegen unternehmen könnten. Fabian hatte natürlich die Antwort parat: „Ich schlage vor, dass die Regierung sich künftig der Aufgabe annimmt, neue Quittungen zu drucken – und zwar mit komplizierten, fälschungssicheren Mustern auf Spezialpapier. Diese neuen, gedruckten Quittungen werden wir dann ‚Banknoten‘ nennen.
Jede Banknote soll dabei die Unterschrift des Regierungsoberhauptes tragen. Wir Goldschmiede übernehmen gerne die Druckkosten, denn wir sparen uns damit den enormen Zeitaufwand beim Ausstellen der Quittungen.“
Die Gouverneure hatten weiter keine Einwände, denn man müsse die Bevölkerung natürlich vor Betrügern schützen und Banknoten zu drucken sei eine vernünftige Lösung.
„Und dann noch etwas“, sagte Fabian. „Manche Leute sind unter die Goldgräber gegangen und stellen sich eigene Goldmünzen her. Ich schlage vor, sie erlassen ein Gesetz, dass alle Goldklumpen bei den Banken abgegeben werden müssen. Natürlich erhalten die Finder eine entsprechende Vergütung in Form von Banknoten.“
Auch dieser Vorschlag wurde angenommen, und die Regierung druckte bald darauf in großer Anzahl die frischen neuen Banknoten – auf Spezialpapier mit fälschungssicheren Mustern und Unterschrift des Regierungsoberhauptes.
Die Bürger und der Handel akzeptierten die neuen staatlich gedruckten Banknoten sehr gerne, da sie wesentlich kleiner und daher leicht benutzbar waren.
Auf jeder staatlichen Banknote war ein bestimmter Wert aufgedruckt: „1 Taler“, „2 Taler“, „5 Taler“, „10 Taler“, „20 Taler“, „50 Taler“ usw. Für die geringfügigen Druckkosten kamen die Goldschmiede auf.
Da man diese neuen Scheine wesentlich bequemer bei sich tragen konnte, war die Bevölkerung leicht zu überzeugen.
Trotz ihrer Beliebtheit wurden die neuen Banknoten und die bestehenden Münzen aber nur für rund 10 Prozent aller Transaktionen verwendet.
Die Statistiken zeigten, dass tatsächlich sage und schreibe 90 Prozent des gesamten Zahlungsverkehrs also ohne Bargeld, sprich mit Hilfe von Schecks und Überweisungen abgewickelt wurden.
Trotz der Beliebtheit der neuen Banknoten wurden 9 von 10 Geschäften mit Schecks und Überweisungen getätigt.
Spareinlagen
Nun setzte Fabian die nächste Phase seines Plans in Gang.
Bis jetzt hatte die Kundschaft ihm für die sichere Aufbewahrung ihres Geldes tatsächlich ein kleines Entgelt gezahlt gehabt. Um sich nun aber mehr Geld in den Tresor zu holen, bot Fabian den Sparern 3 Prozent Guthabenszinsen für ihre Einlagen an.
Die meisten Leute glaubten, Fabian würde nur 2 Prozent Gewinn dabei herausholen, weil er ihr Geld bekanntlich mit 5 Prozent Zinsen weiter verlieh. Im Übrigen war man nicht geneigt, Fabians Methoden überhaupt zu hinterfragen, denn 3 Prozent Zinsen zu bekommen war doch erheblich besser, als für die Aufbewahrung draufzahlen zu müssen – oder?
Aufgrund der vielen Sparer wuchs das von Fabian verwaltete Vermögen rapide an.
Anstatt wie früher eine Aufbewahrungsgebühr für das in seinem Tresor eingelagerte Gold zu verlangen, vergab Fabian nun 3 Prozent Guthabenzinsen dafür, dass Sparer Geld bei ihm deponierten, was alsbald dazu führte, dass die Sparer Schlange standen, um ihr Geld bei Fabian abzugeben. Denn 3 Prozent zu erhalten, war doch definitiv besser, als für die sichere Aufbewahrung des Geldes eine Gebühr entrichten zu müssen!
Und wieder verlieh Fabian wesentlich höhere Summen, als tatsächlich in Form von Banknoten und Münzen im Tresor lagen. Für jeweils 100 Taler Bargeld im Tresor verlieh er anfangs 300, dann 500, dann 700 Taler – und schließlich sogar 900 Taler an Kreditnehmer. Denn das Verhältnis 9:1 war immer noch dasselbe (9 von 10 Transaktionen wurden ohne Bargeld abgewickelt).
Fabian brauchte also nur darauf zu achten, dieses Verhältnis von neun zu eins nie zu überschreiten – denn im Durchschnitt wollte sich ja nur einer von zehn Kunden sein Guthaben in Bargeld auszahlen lassen.
Wenn auf Anfrage nicht genug Geld zur Verfügung gestanden hätte, wären die Leute natürlich misstrauisch geworden, denn im Sparbuch stand ja klipp und klar, wie viel Geld sich auf dem Konto befand.
Nichtsdestoweniger konnte Fabian für die 900 Taler Buchgeld (also für jenes „erfundene Geld“, das rein nur in Fabians Büchern auftauchte), 45 Taler Zinsen einstreichen (= 5 Prozent auf 900 Taler).
Für die ursprüngliche konkrete Spareinlage von 100 Talern 3 Taler Guthabenszinsen an den Sparer zu zahlen, machte Fabian bei diesem Gewinn natürlich nichts aus.
Die Leute glaubten (logischerweise), Fabian könne nur das konkrete Geld, das die Sparer bei ihm angelegt hatten, an Kreditnehmer weiterverleihen. Tatsächlich jedoch stellte Fabian neunmal so viele Schecks aus wie Spareinlagen vorhanden waren. Der Schwindel flog bloß deshalb nicht auf, weil nie alle Sparer ihr Geld gleichzeitig zurückhaben wollten, sondern höchstens einer von zehn.
Denn die Spareinlage des Kunden in Höhe von 100 Talern erschuf Fabian (indem er das Geld neunmal weiter verlieh). 42 Taler Gewinn (45 Taler Einnahmen aus Darlehenszinsen abzüglich 3 Taler ausgezahlte Guthabenszinsen, siehe Grafik unten). Fabian erzielte also einen jährlichen Gewinn von 42 Prozent auf Spareinlagen, während die einfachen Leute meinten, er würde tatsächlich nur 2 Prozent Gewinn machen.
Die anderen Goldschmiede im Land verfuhren natürlich ganz genauso. Sie alle betrieben „Geldschöpfung“ aus dem Nichts, einfach mit dem Füllfederhalter, und verlangten obendrein Zinsen dafür.
Sie erschufen bei jeder Kreditvergabe Geld aus dem Nichts und verlangten darauf auch noch Zinsen.
Die meisten Menschen glaubten, um die Versorgung mit Geld kümmere sich die Regierung. Doch dieselben Menschen glaubten ja auch, Fabian würde stets nur Geldbeträge verleihen, die andere als Spareinlage bei ihm deponiert hatten. Doch hätten alle Sparer auf einen Schlag versucht, sich ihren jeweiligen Kontostand auszahlen zu lassen, wäre der Schwindel auf der Stelle aufgeflogen.
„Wirtschaftswissenschaft“
Angenommen, es wären insgesamt 200 Taler hergestellt worden, und es gäbe insgesamt nur zwei Arbeitgeber (überhaupt), die sich anfangs beide je 100 Taler bei Fabian geliehen und in Umlauf gebracht hätten: In diesem Beispiel wäre dann rein rechnerisch nach einem Jahr nur einer der beiden in der Lage, seine Schulden zu begleichen. Die Rechnung kann somit nie aufgehen!
Der Mann fuhr fort: „Offensichtlich sollten Sie 105 Taler in Umlauf bringen, nämlich 100 für mich und 5, die Sie selbst ausgeben. Dann wären 105 Taler in Umlauf und die Schulden könnten zurückgezahlt werden.“
Fabian hörte schweigend zu und entgegnete schließlich: „Die Wirtschaftswissenschaften sind ein seeeehr kompliziertes Feld, mein Lieber. Diese Problematik setzt ein langjähriges Studium voraus. Ich werde den genannten Angelegenheiten die gebührende Aufmerksamkeit widmen, während Sie sich bitte um die Ihren kümmern. Sie müssen effizienter arbeiten, die Produktion ankurbeln, die Kosten senken und ein besserer Geschäftsmann werden. Dabei helfe ich Ihnen jederzeit gern.“
Der Besucher ging unzufrieden seines Weges. Hier stimmte etwas nicht. An Fabians Methoden war grundsätzlich etwas faul, und seinen Fragen war er geschickt ausgewichen.
Aber Fabian galt landläufig als der Experte. Einwände waren zwecklos, schließlich schien die Wirtschaft zu blühen und das Land einen enormen Aufschwung zu verzeichnen.
Die Falle schnappt zu
Um die Zinsen für das geborgte Geld zu decken, mussten die Händler stetig ihre Preise erhöhen. Daraufhin beklagten sich die Arbeitnehmer, ihre Löhne seien zu niedrig. Die Arbeitgeber wollten aber keine höheren Löhne zahlen; sie verwiesen berechtigterweise auf die Gefahr eines Bankrotts.
Die Bauern wurden für ihre Erzeugnisse bald nicht mehr anständig bezahlt, und viele Hausfrauen klagten über die allzu teuren Lebensmittel.
Schließlich kam es zu Streiks, einem bis dahin unbekannten Phänomen. Immer mehr Menschen wurden auch von Armut heimgesucht, und selbst Freunde oder Verwandte hatten nicht die Mittel, um ihnen zu helfen. Der eigentliche Reichtum des Landes geriet weitgehend in Vergessenheit: Die fruchtbaren Böden, die großen Wälder, die Bodenschätze und Viehbestände.
Alles drehte sich nur noch ums Geld, dieses scheinbar höchste Gut, das jederzeit Mangelware war. Aber niemand hinterfragte das System.
Man glaubte nämlich, die Regierung habe all diese Mechanismen im Griff!
Ein paar Leute waren in der Lage, ihren Überschuss zusammenzulegen und damit freie „Kredit-“ oder „Finanzinstitute“ zu gründen. Diese boten 6 Prozent Zinsen oder sogar noch mehr an, was Fabians Zinsangebot von 3 Prozent deutlich übertraf – allerdings konnten diese freien Firmen nur Geld verleihen, das wirklich ihr Eigentum war.
Im Gegensatz zu Fabian waren sie nicht mit der seltsamen Befugnis ausgestattet, Geld aus dem Nichts zu erschaffen, indem es einfach mit dem Füllfederhalter in die Bücher eingetragen wurde.
Diese freien Finanzinstitute irritierten Fabian und seine Kumpane. Daher gründeten sie kurzerhand eigene. Die Konkurrenz wurde größtenteils aufgekauft, bevor sie überhaupt aufblühen konnte. In kürzester Zeit befanden sich alle Finanzinstitute in ihrem Besitz oder unter ihrer Kontrolle.
Depression und Wohlfahrtsstaat
Die gesamtwirtschaftliche Lage verschlechterte sich weiter.
Die Arbeiter meinten, ihre Chefs würden zu viel Profit einstreichen. Die Arbeitgeber wiederum hielten ihre Arbeitskräfte für faul und ineffizient. Alle schoben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe.
Auch die Gouverneure fanden keine Lösung; außerdem musste doch, wie es schien, vorrangig das Problem der Armut behoben werden.
Die Preise stiegen, Firmen mussten rationalisieren und Entlassungen vornehmen. So kam es erstmals zum Phänomen der Armut. Der natürliche Reichtum des Landes geriet in Vergessenheit, alles schien sich nur noch ums Geld zu drehen.
Es wurden Sozialprogramme eingeführt und jeder Einwohner gesetzlich verpflichtet, Beiträge zu leisten. Dies wiederum erzürnte die Bürgerschaft, die noch der „altmodischen Vorstellung“ anhing, Nachbarn sollten einander in einer Notlage freiwillig helfen.
„Diese Abgaben sind nichts weiter als legalisierter Raub“, tönte es aus dem Volk. „Alles, was man dem Einzelnen gegen seinen Willen abknöpft, egal für welchen Zweck, kommt einem Diebstahl gleich.“
Doch jeder allein fühlte sich ohnmächtig und fürchtete sich vor der Gefängnisstrafe, mit der die Nichtzahlung von Steuern und Abgaben geahndet werden konnte. Die Sozialprogramme sorgten zwar für kurzfristige Linderung, konnten aber die Probleme nicht aus der Welt schaffen. Im Gegenteil, bald schon kamen sie verstärkt zurück – und mit ihnen weiterer Geldbedarf.
Die Sozialausgaben erreichten Schwindel erregende Höhen, und auch der kostspielige Verwaltungsapparat uferte aus.
Die neu erhobenen Sozialabgaben verschafften zwar eine kurzfristige Linderung, konnten aber die eigentlichen Probleme letztlich nicht aus der Welt schaffen – und die Sozialausgaben erreichten bald Schwindel erregende Höhen.
Staatsverschuldung und Bürokratie
Die meisten Mitglieder der Regierung waren anständige Leute mit redlichen Absichten. Sie wollten ihre Mitbürger nicht gern mit weiteren Kosten belasten. So verfielen sie auf den letzten Ausweg, das fehlende Geld bei Fabian und seinen Kumpanen zu borgen. Sie hatten allerdings keine Ahnung, wie sie diese Anleihen je wieder zurückzahlen sollten.
Eltern konnten die Lehrer ihrer Kinder nicht mehr bezahlen. Sie konnten sich auch die Ärzte nicht mehr leisten. Selbst Transportunternehmen machten Pleite; es war einfach kein Geld mehr da.
Schritt für Schritt sah sich die Regierung gezwungen, all diese Funktionen zu übernehmen: Lehrer, Ärzte und viele andere Berufsgruppen wurden zu Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst.
Nur wenige zogen unter diesen Umständen noch Befriedigung aus ihrer Arbeit. Sie erhielten ordentliche Gehälter, verloren aber ihre Eigenständigkeit und Identität. Ein jeder war nur noch ein Rädchen in einer gigantischen Maschinerie. Es gab keinen Spielraum für persönliche Initiative, berufliche Leistungen fanden kaum Beachtung, Löhne und Gehälter waren nahezu unverrückbar festgelegt, und befördert wurde man nur noch, wenn ein Vorgesetzter in den Ruhestand ging oder starb.
Die Einkommenssteuer
In ihrer großen Verzweiflung beschlossen die Regierenden wieder einmal, Fabian um Rat zu fragen. Sie hielten ihn für außerordentlich klug – und in finanziellen Fragen schien er stets die beste Lösung parat zu haben.
Er hörte sich all ihre Probleme an, überlegte und sprach: „Viele Menschen werden mit ihren eigenen Problemen nicht fertig – sie sind darauf angewiesen, dass ein anderer einspringt und die Probleme für sie löst. Sicher seid ihr alle einverstanden, dass man den meisten Menschen das Recht auf Lebensglück und Deckung ihrer Grundbedürfnisse zugestehen sollte. Wir vertreten doch schließlich das übergeordnete Prinzip, dass alle Menschen gleich sind.“
Er fuhr fort: „Um nun einen Ausgleich zu schaffen, muss man den überschüssigen Wohlstand der Reichen abschöpfen, um ihn den Armen zufließen zu lassen. Anders geht das nicht. Ihr müsst also ein abgestuftes Steuersystem einführen. Je mehr einer hat, umso mehr muss er zahlen. Besteuert einen jeden nach seinem Vermögen und gebt einem jeden nach seinen Bedürfnissen. Zum Beispiel sollten Schulen und Krankenhäuser für finanziell Schwächere kostenlos zugänglich sein.“
Fabian hielt ihnen eine lange Predigt über hochtönende Ideale und schloss mit den Worten:
„Und bitte vergesst auch nicht, dass ihr mir Geld schuldet! Ihr habt es euch nun schon recht lange ausgeliehen. Ich kann euch entgegenkommen, indem ich die Tilgung aussetze, aber zumindest müsst ihr mir weiterhin die Zinsen zahlen. Die Hauptschuld bleibt also bestehen, doch die Zinsen sind obligatorisch.
Die neu eingeführte Einkommenssteuer gab sich den noblen Anstrich von Robin-Hood-artiger Gerechtigkeit. Wer viel hatte, sollte viel geben. Der Überschuss der Reichen sollte die Bedürftigkeit der Armen finanzieren. Tatsächlich jedoch wurden die Einnahmen der Produktiven und Fleißigen abgeschöpft, um damit vorwiegend Fabians Zinsforderungen zu begleichen. Die Einkommenssteuer war somit in erster Linie ein Geldumverteilungsmechanismus – weg von den Fleißigen und Produktiven – hin zu den bloßen Zinsempfängern.
Die Folgen der Einkommenssteuer
Niemand hinterfragte Fabians Philosophie. Die Regierung führte tatsächlich eine abgestufte Einkommenssteuer ein.
Je mehr jemand verdiente, um so höher lag nun der Prozentsatz, nach dem er besteuert wurde. Niemand mochte die Einkommenssteuer, aber alle zahlten, weil sie sonst ins Gefängnis gekommen wären.
Die Kaufleute sahen sich abermals gezwungen, ihre Preise anzuheben. Und wieder forderten die Arbeitnehmer höhere Löhne, woraufhin viele Unternehmer einen Teil der Belegschaft durch Maschinen ersetzen mussten oder in Konkurs gerieten. So wurde die Arbeitslosigkeit freilich verschlimmert, was die Regierung zur Einführung weiterer Modelle für Sozialhilfe und Arbeitslosengeld veranlasste.
Die Regierung führte Zölle, Subventionen und andere Schutzmaßnahmen ein, um verschiedene wichtige Industriezweige vor dem Zusammenbruch zu bewahren und Arbeitsplätze zu retten.
Hie und da begann man sich zu fragen, ob der Sinn der Produktion wohl eigentlich darin lag, Waren herzustellen oder lediglich noch für Arbeitsplätze zu sorgen.
Mit weiterer Verschlechterung der Lage versuchte die Regierung durch Lohn- und Preiskontrolle sowie komplexe Reglementierungen ein wenig Stabilität zu wahren.
Mittels Mehrwertsteuer und allen möglichen Abgaben sollte der Fiskus gestärkt werden.
Jemand stellte einmal fest, dass ein Laib Brot auf seinem Weg vom Saatgut über den Müller und Bäcker bis zur Hausfrau mit über 50 verschiedenen Steuern belastet war.
Ständige Reformen
Nun schlug die Stunde der „Experten“, die manchmal sogar ins Kabinett aufstiegen, meist jedoch in undurchsichtigen Gremien zusammentrafen und Jahr für Jahr nur inhaltslose Papiere vorlegen konnten.
Bestenfalls empfahlen sie eine weitere „Umstrukturierung“ des Steuersystems, aber die Gesamtsumme der Steuern und Abgaben stieg unaufhörlich weiter an.
Und Fabian forderte derweil unerbittlich seine Zinsen ein. Der Posten der reinen Zinszahlungen verschluckte einen immer größeren Teil des gesamten Steueraufkommens – und damit entstand eine ganz neuartige Form der Politik, nämlich ...
Parteipolitik
Anstatt wie früher zusammenzuarbeiten, stritten die Leute bald miteinander, welche Partei die Probleme wohl am besten lösen könnte.
Man diskutierte über Persönlichkeiten und Ideologien, man warf sich Etiketten an den Kopf und veranstaltete über alles ein großes Geschrei, nur nicht über das eigentliche Problem. In den leitenden Gremien machte sich eine stille Verzweiflung breit.
Die Gremien, die eigentlich hätten Lösungen erarbeiten sollen, kamen immer nur mit neuen Steuern und Umstrukturierungen hervor, weil das ursprüngliche Problem übersehen wurde: der fünfprozentige Zins an der Ausgabestelle des Geldes, der für immer krasser werdende Geldknappheit sorgte. So entstand im Laufe der Zeit eine völlig neue Art von Politik, Parteipolitik! Die Menschen stritten darüber, welche Partei die Probleme wohl am besten lösen würde.
Das wahre Ziel: totale Kontrolle!
Schließlich kam es so weit, dass in einer Stadt der fällige Zinsbetrag sogar die Summe des erwirtschafteten Einkommens überstieg.
Im ganzen Land wuchs die Menge der nichtbezahlten Zinsen, und auch auf die überfälligen Zinsen wurden jetzt Zinsen erhoben: der sogenannte Zinseszins. Auf diese Weise konnte der natürliche und der erarbeitete Reichtum des Landes allmählich von Fabian und seinen Kumpanen übernommen werden. Sei es entweder durch direkte Übertragung des Eigentums (aufgrund nicht bezahlter Schulden) oder durch wachsende Kontrolle in den Aufsichtsräten der Unternehmen. Aber noch war die Kontrolle nicht allumfassend.
Die Geheimbündler wussten, dass sie erst dann für alle Zeiten wirklich sicher im Sattel sitzen würden, wenn sie jeden einzelnen Menschen perfekt unter der Knute hätten.
Indem die Zinsen und Zinseszinsen immer weiter anwuchsen, gelang es Fabian und seinen Kumpanen immer mehr Besitztümer bzw. die Kontrolle der Unternehmen des Landes zu übernehmen.
Das Kriegsgeschäft (Dieses Kapitel über das Kriegsgeschäft ist in Larry Hannigans Originalgeschichte nicht enthalten.)
Überall fehlte es an Geld. Viele Menschen waren arbeitslos und verarmten. Die Sozialsysteme konnten sich nicht um alle kümmern, sodass das Volk allmählich aufbegehrte.
Fabian überzeugte die Regierung, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich erstens: Ein Krieg sei das beste Mittel, um die Menschen im Kampf gegen einen gemeinsamen äußeren Feind wieder zusammenzuschweißen; und zweitens: Dies sei auch der beste Weg, um die einheimischen Regierungsschulden zurückzuzahlen, nämlich durch Ausbeutung anderer Länder nach dem Sieg.
Damit die Kriegsmaschinerie anrollte, baute Fabian Fabriken, unterstützte die Rüstungsindustrie, vergab neue Kredite an die Regierung für das Militär ... und gewährte schließlich den Opfern hochverzinste Kredite für den umfangreichen Wiederaufbau. Zudem vergab Fabian Kredite an die Kriegsverlierer unter dem Titel „Wirtschaftsförderung“.
Dieses System war so erfolgreich, dass viele Länder der Welt plötzlich nicht nur „Auslandsschulden“ hatten (bei Fabian), sondern auch in irgendwelche kriegerischen Auseinandersetzungen verwickelt oder daran beteiligt waren.
Fabian sorgte dafür, dass immer ein „Gleichgewicht der Mächte“ bestand, sodass jedes Land gegen jedes beliebige andere in den Krieg gepresst werden konnte. Das schien Fabian z.B. immer dann angebracht, wenn ein Land seine „Vorschläge“ ignorierte, Schulden nicht zurückbezahlte oder gar ein von Fabian unabhängiges Geldsystem einführen wollte.
Fabian finanzierte – meist über Strohmänner, Tarnorganisationen oder Geheimdienste – immer auch das angegriffene Land, damit der Krieg möglichst lange dauerte (und auch am Wiederaufbau möglichst viel zu verdienen war), und ließ sich dann „seine Kredite“ durch Ausplünderung der Infrastruktur und der Bodenschätze des eroberten Landes zurückbezahlen.
Die Massenmedien
Die meisten Mitbürger, die gegen das heimtückische System aufbegehrten, konnten zum Schweigen gebracht werden, indem man sie wirtschaftlich unter Druck setzte oder sie einfach lächerlich machte.
Zu diesem Zweck kauften Fabian und seine Kumpane den größten Teil der Zeitungen, Fernseh- und Rundfunksender auf und setzten dort handverlesene Führungskräfte ein. Viele dieser Medienbetreiber waren aufrichtig bemüht, die Welt zu verbessern, aber sie merkten überhaupt nicht, wie sie ausgenutzt wurden. Mit den Lösungen, die sie propagierten, wurde immer nur an den Symptomen herumgedoktert, ohne die Ursache des Problems je anzupacken. Es gab durchaus verschiedene Zeitungen/Zeitschriften, manche für den linken Flügel, manche für den rechten, wieder andere für die liberale Mitte, ebenso Zeitschriften für Arbeiter, andere für Unternehmer ... Man durfte lesen und schreiben, was man wollte, aber nur, solange man nicht versuchte, dem eigentlichen Problem auf den Grund zu gehen.
Fabians großer Plan stand kurz vor der Vollendung. Das ganze Land – und nicht nur dieses – war schwer bei ihm verschuldet. Über das Bildungssystem und die Massenmedien beherrschte er nicht nur die Gemüter, sondern den Verstand der Menschen. Was die Bevölkerung dachte und glaubte, lag ganz in Fabians Hand.
Mentalität der Herrscherklasse
Wenn ein Einzelner mehr Geld besitzt, als er zu seinem Privatvergnügen je ausgeben könnte, welchen Genuss kann er dann aus der Welt noch herausholen? Für die selbsternannte Elite gibt es darauf eine klare Antwort: die nackte, ungezügelte Macht über andere Menschen.
Die Idealisten waren geschickt in den Medien und in der Politik platziert und so tatsächlich entschärft worden, doch die wahren Kontrollfreaks mit jener speziellen Herrschermentalität, die Fabian suchte, fand er in den Machtjunkies der Finanzdynastien. Die meisten der ehemaligen Goldschmiede hatten eine solche Mentalität entwickelt. Ihr maßloser Wohlstand befriedigte sie nicht länger. Sie waren auf der Suche nach dem „Kick“: Macht über die Massen war das ultimative Spiel! Diese Leute meinten, sie seien allen anderen überlegen. „Zu herrschen ist unser Recht und unsere Pflicht. Die Massen wissen nicht, was gut für sie ist. Man muss sie zusammentreiben und herumdirigieren. Wir dagegen sind zum Herrschen geboren.“
Das Zentralbanksystem
Überall in Stadt und Land kontrollierten Fabian und seine Kumpane zahlreiche Kreditinstitute. Mag sein, dass es Privatfirmen mit unterschiedlichen Eigentümern waren; aber aller scheinbaren Konkurrenz zum Trotz arbeiteten sie eng zusammen. Mit staatlicher Absegnung war eine Zentralbank eingerichtet worden, deren Gründung nicht einmal auf eigenem Kapital beruhte; nein, auch hier beruhte die „Geldschöpfung“ darauf, dass die Spareinlagen der Bevölkerung belastet wurden. Schulden, wohin man schaut!
Nach außen hin erweckte dieses „Reservenzentrum“ den Anschein, auf seriöse Weise die Geldversorgung zu regulieren und irgendwie eine Regierungsfunktion zu verkörpern. Aber seltsamerweise wurde in das Vorstandsgremium dieser Zentralbank niemals ein gewählter Regierungsvertreter oder leitender Staatsbeamter aufgenommen.
Die Regierung verschuldete sich nicht mehr direkt bei Fabian, sondern konnte sich an die Zentralbank wenden, wobei als Sicherheit für die Kredite die Steuereinnahmen des nächsten Jahres galten. Dies stand in Einklang mit Fabians Plan, den Verdacht von seiner Person abzulenken und statt dessen eine Verfahrensweise der Regierung vorzuschieben. Im Hintergrund behielt er natürlich alle Fäden in der Hand.
Fabians indirekte Kontrolle der Regierungsgeschäfte war derart perfekt, dass ihm einmal die Prahlerei herausrutschte: „Wenn ich das Geld einer Nation kontrolliere, dann kann es mir gleich sein, wer die Gesetze macht!“ Es war einerlei, welche Partei regierte, denn Fabian beherrschte die Finanzen – das Lebensblut der Nation.
Die Regierung erhielt das Geld, aber für jede weitere Anleihe wurden Zinsen in Rechnung gestellt. Immer größere Beträge verströmten in allerlei Sozialleistungen, und die Regierung konnte kaum die Zinsen bezahlen, von einer Rückzahlung der Hauptschuld ganz zu schweigen.
Gelegentlich fragte noch jemand: „Wenn Geld ein von Menschen geschaffenes System ist, dann wird man es doch bestimmt an die Bedürfnisse des Menschen anpassen können, sodass es dem Menschen dient, anstatt ihn zu beherrschen, oder?“ Doch Leute dieses Schlages wurden immer seltener und ihre Stimmen gingen unter in dem höllischen Lärm, den die ewige Suche nach den fehlenden 5 Talern für den Zins hervorrief.
Die Regierungen und mit ihnen die Parteifarben kamen und gingen: schwarz, rot, gelb, grün, aber das Prinzip blieb das gleiche. Egal welche Regierung „an der Macht war“, Jahr für Jahr rückte Fabians Endziel immer näher. Die Gesetze der Menschen waren ohne Belang. Sie wurden besteuert bis zum Erbrechen; ihre Zahlungsfähigkeit war am Ende. Jetzt war die Zeit reif für Fabians letzten, großen Schachzug.
EC- & Kreditkarten
10 Prozent allen Geldes waren nach wie vor in Form von Münzen und Scheinen im Umlauf. Mit Bargeld in der Tasche hatten die Menschen immer noch eine gewisse Kontrolle über ihr eigenes Leben. Diese letzte Bastion der persönlichen Handlungsfreiheit galt es abzuschaffen, ohne Verdacht zu erwecken. Man konnte behaupten, es sei eine Sicherheitsfrage. Schecks wurden außerhalb der eigenen Gemeinschaft nicht angenommen; Bargeld wollte man auf Reisen nicht herumschleppen.
Eine bequemere Lösung war in diesem Bereich also durchaus willkommen. Natürlich hatte wieder Fabian die passende Idee. Seine Organisation stellte jedermann ein Kärtchen aus Kunststoff aus, das den Namen des Inhabers, ein Foto und eine Identifikationsnummer zeigte.Man brauchte diese Karte beim Einkaufen nur vorzulegen; die Geschäftsleute setzten sich mit dem Zentralcomputer in Verbindung und überprüften den Kredit, woraufhin der Kunde bis zu einem bestimmten Betrag nach Herzenslust einkaufen konnte.
Für den Kunden wurde die Kreditkarte zusätzlich attraktiv gemacht, indem bei der Zahlung bzw. Rückzahlung am Monatsende keinerlei Zins für ihn anfiel. Die Geschäftsleute hingegen hatten wesentlich höhere Ausgaben, die wiederum auf den Preis der Endprodukte aufgeschlagen und somit an den Kunden weitergegeben werden mussten.
Das Ende
Fabian und seine Kumpane erfreuten sich eines immer hervorragenden Rufes, ja, sie wurden regelrecht als Säulen der Gesellschaft angesehen. Ihre Äußerungen zu Finanz- und Wirtschaftsfragen wurden beinahe wie ein religiöses Dogma akzeptiert.
Zahlreiche kleine Unternehmen brachen unter der ständig wachsenden Belastung durch Steuern und Abgaben zusammen. Für alle möglichen Techniken und Prozeduren wurden besondere Genehmigungen und Zulassungen eingeführt, sodass die verbleibenden Firmen sich kaum über Wasser halten konnten. Fabian besaß oder kontrollierte sämtliche Großunternehmen mit jeweils Hunderten von Tochtergesellschaften. Die Konkurrenz zwischen diesen großen Firmen war eine reine Vorspiegelung. Am Ende wurden alle Konkurrenten vom Markt verdrängt. Klempner, Autoschlosser, Elektriker und die meisten anderen Handwerker und Kleinbetriebe erlitten das gleiche Schicksal: Sie wurden von Fabians Großkonzernen verschluckt, die allesamt unter dem Schutz der Regierung standen.
Fabian plädierte sodann für die endgültige Abschaffung von Münzen und Papiergeld, damit es keine Firma und auch keine Einzelperson mehr geben konnte, die ohne Kreditkarten und das allgegenwärtige Computersystem auskam. Für den Fall, dass jemand seine Kreditkarte verlor, sollte einem jedem Bürger die Identifikationsnummer zwangsweise auf die Hand tätowiert werden, sodass man sie unter einem speziellen Licht ablesen und an einen Computer weiterleiten könnte. Ohne einen solchen Identitätsbeweis würde niemand mehr kaufen oder verkaufen können.
Jeder Computer sollte an einen gigantischen Zentralcomputer angekoppelt sein, in dem alle Informationen über jeden einzelnen Menschen gespeichert wären. So wüsste Fabian über alle vollständig Bescheid. Sobald dies erreicht wäre, besäße er die ultimative, totale Kontrolle über alle Menschen des Landes – und bald darauf über alle Menschen der Erde.
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